"Ausgleich zwischen Kreativen & Verbrauchern schaffen"

Am 12. Dezember beschäftigte sich das 3. Josef-Kohler Symposium der Humboldt-Universität Berlin mit den Zukunftsperspektiven des Instituts der privaten Vervielfältigung. Als Co-Veranstalter trat die Initiative Urheberrecht auf.

(c) Christine Kisorsy/ Inittiative Urheberrecht

Die Staatssekretärin im Bundesministerium der Justiz und für Verbraucherschutz, Dr. Stefanie Hubig, kündigte in ihrem Grußwort einen Referentenentwurf ihres Ministeriums bis Mitte des nächsten Jahres an. Man werde einerseits die im Februar 2014 erlassene Verwertungsgesellschafts-Richtlinie aus Brüssel in deutsches Recht umsetzen. Andererseits werde man Akzente, durch die bereits im Koalitionsvertrag angekündigte Verbesserung der Verfahrensregeln zur Privatkopie und allgemeinen Bildungs- und Wissenschaftsschranke setzen.

Vier Experten beleuchteten die Privatkopie aus verschiedenen Blickwinkeln:

Prof. Dr. Jörg Reinbothe, lange Zeit in Brüssel an zentraler Stelle mit der Weiterentwicklung des europäischen Urheberrechts befasst, erwartet von der neuen Kommission keine urheberrecht-liche Revolution, sondern eine nüchterne Auseinandersetzung mit der InfoSoc-Richtlinie. Es gehe um die Fragen, ob man neue Schranken benötige, die bestehenden Schranken präzisieren müsse oder ob man eine Art „Generalschranke“ im Sinne der US-amerikanischen "fair use"-Doktrin einführen solle. Letzteres lehnte Prof. Reinbothe strikt ab; fair use sei ein Fremdkörper im kontinental-europäischen System des Urheberrechts. Trotzdem: momentan sei die Büchse der Pandora weit geöffnet. Deutschland und Frankreich sollten ein Bollwerk gegen den ideologisch motivierten Ruf nach Radikalreformen des Urheberrechts bilden.

Prof. Dr. Malte Stieper von der Universität Halle-Wittenberg beleuchtete die Entwicklung der Privatkopieschranke seit ihrer ersten Einführung im Jahr 1907 unter dem Blickwinkel des Interessenausgleichs zwischen Urhebern und Verbrauchern. Sie sei regelmäßig dem aktuellen Nutzungsverhalten angepasst worden, welches wiederum durch das technisch Mögliche bestimmt sei. Aktuell müssten unter anderem Antworten auf die Frage des Umgangs mit virtuellen Cloud-Speichern gefunden werden. Dabei riet Prof. Stieper ebenfalls von Radikalre-formen ab: Diese bewirkten zunächst eine lange Phase der Rechtsunsicherheit, bis der Europäi-sche Gerichtshof – meistens zehn Jahre später – in seinen Entscheidungen für Klarheit sorgte.

Dr. Urban Pappi, geschäftsführender Vorstand der Verwertungsgesellschaft Bild-Kunst, ging in seinem Beitrag auf die missglückten verfahrensrechtlichen Vorschriften der Privatkopie ein. Der Gesetzgeber habe bei seiner letzten Reform zum Jahr 2008 ein System zur Bestimmung der Geräteabgaben geschaffen, das in der Praxis nicht funktioniere. So habe es die Geräte- und Speichermedienindustrie in der Hand, die Festlegung der Abgabehöhen bis zu 13 Jahre nach Markteinführung zu verzögern. Funktionierender Rechtsschutz sehe anders aus. Die Verwertungsgesellschaften haben sich deshalb frühzeitig mit konkreten Verbesserungsvorschlägen an die jetzige Bundesregierung gewandt.

Dr. Ole Jani, Rechtsanwalt und Partner bei CMS Hasche Sigle, ging abschließend auf unterschiedliche Aspekte der Privatkopie aus Sicht der Praxis ein und adressierte einzelne Verbesserungsvorschläge, sowohl an den deutschen, wie auch an den europäischen Gesetzgeber.

In der anschließenden Diskussionsrunde ging es um die Bedürfnisse der Betroffenen, der Urheberinnen und Urheber. Nina George, Schriftstellerin, Nikki Stein, Regisseur, und Matthias Hornschuh, Filmkomponist, erläuterten anhand konkreter Beispiele die aktuelle wirtschaftliche Situation der schöpferisch Kreativen. Die Digitalisierung setze die Einkommensperspektiven seit Jahren unter Druck. Insbesondere bei digitalen Nutzungen – das E-Book, der Spielfilm in einer Mediathek oder das Musikwerk auf Spotify – lautete der branchenübergreifende Befund, dass wenn überhaupt nur Centbeträge bei den Schöpfern der Inhalte ankommen. Auf die Fragen von Prof. Dr. Eva Inés Obergfell und Prof. Dr. Gerd Pfennig nach der "Wunschliste" zeigte sich, dass die Urheber auf der Seite der Endkonsumenten stehen. Werke werden wegen des Publikums geschaffen und je größer das Publikum ist, desto besser. Insofern sollte das Urheberrecht, so war man sich einig, den Rahmen so setzen, dass ein Auskommen möglich bliebe, ohne die Handlungsfreiheit der Konsumenten zu beschränken.

Auf diesen Aspekt ging Prof. Dr. Gerd Pfennig in seinem Schlusswort ein: Die Privatkopie stelle einen idealen Interessenausgleich zwischen Schöpfern und Verbrauchern dar. Letztere könnten unbehelligt und unkontrolliert geschützte Werke privat kopieren und die Urheber erhielten dafür einen gesetzlich garantierten finanziellen Ausgleich, der eine wichtige Säule des Auskommens darstelle. Deshalb müsse das System der Privatkopie in Deutschland so schnell wie möglich gangbar gemacht und in Europa gegen Angriffe der Geräteindustrie verteidigt werden.