Ein Lichtblick für Filmurheber – Erstes Zahlungsurteil im Fall „Das BOOT“

Am 2. Juni 2016 erging beim Landgericht München I ein Urteil, das für Filmurheber in Deutschland erhebliche Bedeutung haben dürfte. Der bildgestaltende Kameramann des Welterfolgs „Das BOOT“, Jost Vacano, errang nach jahrelanger Auseinandersetzung mit der Bavaria und ihrer Vertriebstochter EuroVideo sowie dem WDR einen Erfolg, der zwar noch nicht rechtskräftig ist, aber klarmacht, wo die Richter Eckpfeiler sehen, welche zur Bestimmung von Vergütungen maßgeblich sind.

Das Urteil betrifft einen Fall nach § 32a Urheberrechtsgesetz (sog. „Bestseller“), hat aber Bedeutung auch für die „angemessene Vergütung“ nach § 32 UrhG – und nicht nur für den Kameramann. Darum soll es an dieser Stelle kurz vorgestellt werden.

„Das BOOT“ - die juristische Auseinandersetzung
Alle Leserinnen und Leser dieses Newsletters kennen den Film „Das BOOT“, der Anfang der 80er Jahre von der Bavaria als Türöffner zum internationalen Markt produziert wurde. Der Film war weltweit ein Kassenschlager. Auch im Fernsehen wurde (und wird) er immer wieder gesendet - nicht nur in Deutschland. Die Vermarktung über Kassetten, DVD und BluRay durch die Bavaria-Tochter EuroVideo lief jahrzehntelang überaus erfolgreich. Der Gestalter der Filmbilder dieses visuellen Meisterwerks, Jost Vacano, der sich auch in der BG III der VG Bild-Kunst von Anfang an stark engagiert hat, ergriff nach der Urheberrechtsnovelle von 2002 die Chance, Auskunft über die Nutzungen und Erträge des Filmes „Das BOOT“ zu verlangen. 2008 kam es aufgrund der Blockadehaltung der Produktionsfirma schließlich zum Prozess gegen die Bavaria Film, den WDR (koproduzierender Sender) und die Bavaria-Tochter EuroVideo GmbH, die für den stückhaften Vertrieb an Privatkunden zuständig ist. Dem Prozess liegt eine sog. „Stufenklage“ zugrunde, das heißt: zunächst die Feststellung des Anspruchs auf der Basis der erhaltenen Vergütung in Relation zu dem, was auf der Basis der Erträge dem Berechtigten „eigentlich“ zugestanden hätte („auffälliges Missverhältnis“) - und im zweiten Schritt Bezifferung des Anspruchs und Urteil hinsichtlich einer Zahlung. Das LG München I hat mit seinem Zahlungsurteil nun diese zweite Stufe erledigt, wobei hiergegen wieder Berufung möglich ist. Da die Bavaria bereits klargestellt hat, dass sie das Urteil nicht hinnehmen will, werden sich die Parteien vor dem Oberlandesgericht München – und ggf. sogar wieder vor dem BGH – gegenüberstehen.

Die Essenz des „Schlussurteils“ im Münchener „BOOT“-Prozess
Nach acht Jahren liegt nun also das erste Urteil vor, in dem Vacanos Zahlungsanspruch beziffert wird. In der Summe soll er 475.000 EUR erhalten. Das hört sich gewaltig an, aber heruntergebrochen auf die Jahre seit 2002 und die exzessive Nutzung des Films relativiert sich das. Da die Gesetzesnovelle mit dem Anspruch des Urhebers auf „angemessene Vergütung“ und Durchgriffsmöglichkeit gegen den „Dritten“ beim „Bestseller“ (§ 32a UrhG) 2002 in Kraft getreten war, und Vacanos Erstvergütung von Anfang der 80er Jahre im Jahr 2002 urheberrechtlich schon lange „aufgebraucht“ war, hat Vacano für alle Nutzungen nach der Novelle von 2002 keinerlei Vergütung erhalten. Das ist ungesetzlich. Neben den Nachzahlungen von 475.000 EUR ist der Kameramann zukünftig mit 2,25% an den Nettoeinnahmen zu beteiligen. Für die Ausstrahlungen in den Programmen der ARD ist zudem der WDR-Tarifvertrag maßgeblich, da es nicht hinnehmbar ist, dass unmittelbar vom Sender beschäftigte Urheber besser gestellt werden, also solche, die über eine zwischengeschaltete Produktionsfirma für den Sender tätig werden. Insoweit ist auch für den nicht direkt beim Sender auf Produktionsdauer angestellten Kameramann die Wiederholungsvergütungsregelung des WDR die angemessene Beteiligungsgrundlage.

Die Bedeutung des Urteils – und wie es weitergeht...
Wer auf Wanderschaft ist, muss sich oft mühen, aber er kann hier und da vielleicht schöne Aussichten genießen. Genauso geht es dem Unverdrossenen, der sich mit Ernst und Ziel der Durchsetzung seines Urheberrechts widmet. Seit einem Jahrzehnt tut das mit Energie der Kameramann Jost Vacano, der sich inzwischen im neunten Lebensjahrzehnt befindet. Der Tenor des Urteils des Landgerichts München I ist für ihn einerseits eine späte Freude, andererseits auch nur ein „Aussichtspunkt“ auf seiner langen prozessualen Wanderschaft. Der Ausblick ist gut, aber der weitere Weg durch die Instanzen (Oberlandesgericht und vielleicht wieder BGH) ist steinig und nicht ungefährlich. Das Ziel ist keineswegs erreicht.

Allerdings sind wichtige Wegmarken definiert, an denen man sich nun orientieren kann. Es ist eine Schneise in das urheberrechtliche Dickicht geschlagen, die auch für Andere hilfreich sein kann. Anspruch auf Vertragsanpassung natürlich nur bei „auffälligem Missverhältnis“ bei einem Erfolgsfilm, und Zahlungen für die Vergangenheit... - alles gut und richtig. Strukturell und berufspolitisch wichtiger ist aber die prozentuale Beteiligung in der Zukunft und die Bezugnahme auf den Tarifvertrag des WDR, des größten Senders der ARD. Diese Klarstellungen machen Mut, und sind eine gute Grundlage für die schwierigen Auseinandersetzungen der kommenden Monate und Jahre, in denen kollektivvertragliche Regelungen zu angemessenen Nutzungserlösbeteiligungen gefunden werden müssen. Vorauseilender Gehorsam und verhandlungstaktische Weichspülung verbieten sich, wenn es um den Schutz und die Verankerung urheberrechtlicher Interessen der Kreativen geht, die unsere Filmwerke als eigenschöpferisch tätige Urheber gestalten. Die BG III der VG Bild-Kunst vereint Regie, Kinematografie, Schnitt sowie Szenen- und Kostümbild. Für alle diese urheberrechtlich relevanten Berufsfelder dürfte das Münchener „BOOT“-Urteil große Bedeutung haben.

Gastbeitrag von
Dr. Michael Neubauer
Geschäftsführer BVK