HAP Grieshaber-Preis der VG Bild-Kunst

Seit 19 Jahren nominiert die Jury der Stiftung Kunstfonds jährlich eine künstlerische Position mit dem HAP Grieshaber-Preis der VG Bild-Kunst. Neben dem Preisgeld, welches die Stiftung Kulturwerk der VG Bild-Kunst stellt, werden die Künstler*innen mit einer Ausstellung im Projektraum des Deutschen Künstlerbunds, Berlin gewürdigt.

Susann Maria Hempel erhält den diesjährigen mit 25.000 € dotierten HAP Grieshaber-Preis der VG Bild-Kunst – wir gratulieren ganz herzlich!

Nach dem Abschluss ihres Studiums der Mediengestaltung an der Bauhaus-Universität Weimar, kehrt die Filmemacherin Hempel zurück in ihre Heimatstadt Greiz, eine Kleinstadt im thüringischen Vogtland. Greiz wird nicht nur wieder zur Hempels Wohnsitz sondern gleichfalls der Ort über den und aus dem heraus sie arbeitet. Hier entstehen wichtige Arbeiten wie Die Fliegen (The Birds II), 2011, Der große Gammel, 2013 und Sieben Mal am Tag beklagen wir unser Los und nachts stehen wir auf, um nicht zu träumen aus dem Jahr 2014. Zu diesen Werken hat Hempel zahlreiche renommierte Preise der Kurzfilmszene im In- und Ausland erhalten.

Auf bedrückende und gleichzeitig experimentelle Art und Weise dokumentiert Hempel destruktive Eigenschaften von Gebäuden und Menschen in Greiz. Verfall, soziale Isolation und Monotonie sind wiederkehrende Themen in ihren Arbeiten. Hempel filmt und fotografiert in den Räumen leerstehender Gebäude, beispielsweise im Greizer Theater oder baut in Miniaturmodell eine Gründerzeitvilla nach, die längst sich selbst und damit ihrem Verfall überlassen wurde. Alle Orte haben für die Künstlerin einen biografisch, emotionalen Bezug, sei es, dass sie als Kind selbst im Greizer Theater auf der Bühne stand oder das Untergeschoss der Villa bewohnte. Diese aufgegebenen Orte dokumentiert Hempel und lässt sie mit ihrem bis ins kleinste Detail arrangierten Requisitenfundus auf skurrile Weise wieder zum Leben erwecken. Die Handlungen der Menschen in den Kurzfilmen  verstärken den Eindruck von Monotonie, wenn sie einfach nur da sitzen und Nüsse knacken, Dias schieben oder Türen auf einem langen Flur öffnen und schließen. Zwischenmenschliche Kommunikation findet kaum statt und die Szenen wirken seltsam inszeniert und haben choreografische Momente.

Zu den visuellen Aneinanderreihungen von einsamen und gesellschaftlich benachteiligten Menschen, hineingesetzt in zurückgelassene und in sich zerfallende Bauwerke, untermauert die von Hempel eingesetzte Musik die beklemmende Atmosphäre. Manchmal steht sie aber auch im krassen Gegensatz zu den Bildern, wenn beispielsweise mehrere Mädchen, sich an den Händen haltend, durch die Räume laufen und „[…] ein Heimatort ein schöner Ort, alle machen mit […]“ im Chor singen.

Die Dokumentation der Verwahrlosung und die daraus resultierende Grundstimmung einer Stadt und deren Bewohner, übertragen in das künstlerische Medium des Kurzfilms, sind ein wichtiges Zeitdokument unserer jüngsten Geschichte.

Abbildung: Susann Maria Hempel, Skizze zu „Vater siehst Du nicht, dass ich verbrenne", 2019