Wie üblich hat die Bild-Kunst die vorgeschlagenen neuen Regelungen zum Urhebervertragsrecht nicht kommentiert, da sie sowohl Urheber*innen als auch Verwerter*innen zu ihren Mitgliedern zählt. Neben vielen Verbesserungsvorschlägen im Detail sehen wir drei wesentliche Punkte, bei denen Anpassungsbedarf besteht und die in der politischen Diskussion von allen der Bild-Kunst verbundenen Verbänden und Institutionen adressiert werden sollten:
1. Keine allgemeine urheberrechtliche Schranke für „Pastiche“
Das BMJV schlägt eine neue allgemeine urheberrechtliche Schranke für Parodie, Karikatur und Pastiche vor, die nicht vergütungspflichtig sein soll, vgl. § 51a UrhGE.
Während keine Bedenken gegen eine Schranke für Parodie und Karikatur bestehen, die es schon sehr lange gibt, sehen wir die Ausdehnung der Schranke auf „Pastiche“ kritisch. Diese würde neu eingeführt werden.
Das Wort „Pastiche“ bedeutet im Französischen „Nachahmung“. Es handelt sich um ein Werk, das ein Originalwerk genau imitiert, seine Urheberschaft im Unterschied zur Fälschung aber deutlich erklärt.
Um unter die neue Schranke fallen zu können, muss laut dem Entwurf des BMJV eine Auseinandersetzung mit dem Original stattfinden, für welche allerdings ein „Ausdruck der Ehrerbietung und Wertschätzung“ genügt.
Wir sehen die folgenden Probleme:
- Da es in Deutschland noch keine Rechtsprechung zu diesem Thema gibt, ist eine Klagewelle bis zum EuGH zu erwarten. Rechtssicherheit über den Umfang der Schranke ist erst in zehn bis zwölf Jahren zu erwarten. Rechtsunsicherheit geht aber zu Lasten der Rechteinhaber*innen.
- Ehrerbietung und Wertschätzung als Voraussetzung für das Eingreifen der Schranke sind subjektive Tatbestandsmerkmale, die sich in der Praxis kaum beweisen lassen.
- Die neue Schranke würde auch für kommerzielle Nutzer*innen gelten: Der Abdruck eines Kunstwerks auf einer Tasse als zulässiges Pastiche, weil dem Werk damit Ehrerbietung gezollt wird? Jeder kommerzielle Verwerter wird argumentieren, dass gerade die Verbreitung seiner Produkte dem Künstler bzw. der Künstlerin wohlwollende Aufmerksamkeit einbringen wird. Das alte Promotion-Argument also, womit Verwerter*innen schon immer urheberrechtliche Vergütungen abwehren wollen.
Die neue Pastiche-Schranke sollte nur dort umgesetzt werden, wo es die DSM-Richtlinie vorsieht: im Rahmen der neuen Plattform-Regulierung.
2. Plattformverantwortlichkeit: Keine Reduktion auf typischerweise hochgeladene Inhalte
Der Entwurf des BMJV geht über die Vorlage der DSM-Richtlinie hinaus, wenn er die neue Verantwortlichkeit der Plattformbetreiber*innen auf die Werke reduzieren will, die typischerweise dort hochgeladen werden.
Aus unserer Sicht handelt es sich hierbei um eine verfehlte Bagatell-Regelung. Denn sie nimmt keinen Bezug auf die Menge der so ausgeschlossenen Werkarten: Die Menge der auf YouTube „untypisch“ hochgeladenen stehenden Bilder kann nämlich viel höher sein als die Menge der hochgeladenen Bilder auf einer kleinen Spezial-Plattform. Sie von einer Vergütung auszuschließen, verstößt unseres Erachtens gegen das Gleichbehandlungsprinzip.
3. Plattformverantwortlichkeit: Vergütungspflicht für Parodien, Karikaturen und Pastiches
Der derzeitige Diskussionsentwurf stellt Parodien, Karikaturen und Pastiches unter eine urheberrechtliche Schranke, die vergütungsfrei ausgestaltet ist.
Bezogen auf eine künftige Lizenzierung der Plattformen bürdet er damit den Rechteinhaber*innen auf, gegenüber den Plattformen nachzuweisen, welcher Anteil der hochgeladenen Werke nicht unter die Schranke fällt und damit vergütungspflichtig ist.
Um es ganz klar zu sagen: Diese Systematik wird es den Rechteinhaber*innen äußerst schwer machen, angemessene Vergütungen durchzusetzen. Denn schon in der rechtspolitischen Diskussion vor dem Erlass der DSM-Richtlinie war eindeutig herausgearbeitet worden, dass sich Parodie, Karikatur und Pastiche nicht maschinell ermitteln lassen. Der unmögliche Nachweis wird nunmehr den Rechteinhaber*innen aufgebürdet.
Auf diese Weise wird eine Lizenzierung zu angemessenen Bedingungen unglaublich erschwert! Wir fordern deshalb im Rahmen der Plattformlizenzierung die Vergütungspflicht für die genannte Schran-ke.
4. Plattformverantwortlichkeit: Wenn Bagatellschranke, dann richtig
Der Diskussionsentwurf sieht zusätzlich eine vergütungspflichtige Bagatellschranke vor. Die Bild-Kunst teilt die Bedenken der Rechtswissenschaft, dass eine solche Schranke europarechtlich nicht zulässig ist.
Sollte sich der Gesetzgeber über diese Bedenken hinwegsetzen, so müsste er auf jeden Fall die im Entwurf aufgeführten Schwellen überarbeiten.
Im Bereich der Fotografie schon ist die gewählte Maßeinheit „Dateivolumen“ falsch. Bildgrößen müssen in Pixeln angegeben werden, z.B. dadurch dass die maximale Größe der längsten Seite genannt wird.
Zusätzlich muss die Maßzahl so gewählt werden, dass nur echte Bagatellen ausgeschlossen werden. Nach der jetzigen Definition der Bagatell-Fotos („bis zu 250 KB“) wären davon wohl fast alle Fotos auf Facebook erfasst.
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