Social-Media-Bildlizenz

Auf der politischen Bühne hat die künstliche Intelligenz in diesem Jahr das Thema der Regulierung der großen Social-Media-Plattformen vom Tisch gewischt. Trotzdem arbeitet die Bild-Kunst beharrlich an der Durchsetzung ihrer Social-Media-Bildlizenz. Wir ziehen im Folgenden eine Zwischenbilanz zum Jahresende.

Wer erinnert sich noch an die Auseinandersetzungen um den berühmten Artikel 13 der DSM-Richtlinie im Jahr 2019? Die Regelung, die heute unter „Artikel 17“ firmiert, sollte die urheberrechtliche Haftung der großen Social-Media-Diensteanbieter einleiten und ein ungerechtes Haftungsprivileg aus der Steinzeit des Internets abschaffen.

Der deutsche Gesetzgeber setzte diese EU-Regelung in einem eigenen Gesetz um, dem UrhDaG, das im August 2021 in Kraft trat. Außerdem machte er Gebrauch von einer anderen Option der DSM-Richtlinie und führte in Deutschland für Verwertungsgesellschaften die Möglichkeit ein, so genannte „erweiterte Kollektivlizenzen“ zu vergeben. Solche Lizenzen erstrecken sich auch auf Außenstehende, soweit diese nicht widersprechen.

Die Social-Media-Bildlizenz

Eins und eins zusammenrechnend beschlossen Bild-Kunst und BVPA, der Bundesverband professioneller Bildverwerter, den Diensteanbietern für ihr deutsches Geschäft eine umfassende Bildlizenz anzubieten. Mit einer Unterschrift sollte es ihnen möglich sein, ihre Lizenzlücke im Bildbereich zu schließen, und zwar ohne bürokratischen Aufwand. Immerhin sind die Anbieter von Gesetzes wegen verpflichtet, bestmögliche Anstrengungen zu unternehmen, notwendige Nutzungsrechte zu erwerben – nicht von jeder einzelnen Fotografin oder jedem einzelnen Illustrator, aber von allen Rechteinhabenden, die über ein „erhebliches Repertoire“ verfügen.

Die Überzeugungsarbeit

Ab 2019 begannen Bild-Kunst und BVPA, ihre Mitglieder von den Vorzügen des Projekts zu überzeugen: endlich Einnahmen generieren in einem Bereich, der bislang als urheberrechtsfreie Zone wahrgenommen wurde. Aufgrund der Kleinteiligkeit des Kunst- und Bildsektors war es bis dato nicht gelungen, einen Fuß in die Tür zu setzen: Was dem Musiksektor schon zu Beginn der Zehnerjahre gelungen war – Verträge mit YouTube –, ließ im Bildsektor auf sich warten. Hier floss bislang kein Rubel, schon gar kein Euro.

Die Vorbereitung

Eine erweiterte Kollektivlizenz ist an Voraussetzungen geknüpft: Die wichtigste ist die Repräsentativität. Die Bild-Kunst muss eine genügend große Anzahl an Rechteinhabenden vertreten, die ihr die Rechte zur Lizenzierung von Plattformen einräumen. Wobei bis heute niemand weiß, welche Zahl ausreichend ist. Die Bild-Kunst setzt auf die ganz große Koalition: ihre Mitglieder, möglichst viele Bildagenturen und ihre Schwestergesellschaften im Ausland. Zu diesem Zweck wurden von der Mitgliederversammlung neue Wahrnehmungsverträge beschlossen und in einem mühseligen Projekt die Unterschriften der Urheber*innen und Bildagenturen eingeholt. Bis dato haben wir ca. 35.000 Künstler*innen und Bildautor*innen im Portfolio, dazu ca. 35 Bildagenturen, die Schwestergesellschaften aus dem Ausland nicht mitgerechnet.

Die Verhandlungen

Im Frühjahr 2022 starteten unsere Verhandlungen mit META, der Muttergesellschaft von Facebook und Instagram. Zur Vorbereitung hat die Bild-Kunst einseitig einen Tarif aufgestellt und als Verhandlungsangebot auf den Tisch gelegt: Wir verlangen ca. 10 Prozent des deutschen Jahresumsatzes von Facebook und ca. 20 Prozent von Instagram. Dafür gibt es nicht nur alle fehlenden Rechte für illegale Uploads, sondern es werden auch alle Vergütungsansprüche abgegolten. Das sind gesetzliche Kompensationen für Fälle, in denen der Gesetzgeber den Upload eines urheberrechtlich geschützten Werks erlaubt, z.B. wenn es für ein Meme verwendet wird. Der Tarif basiert auf empirischen Untersuchungen der Bild-Kunst zum Ausmaß der Lizenzlücke auf einzelnen Plattformen.

Über META hinaus konnte die Bild-Kunst bislang nur mit einer Handvoll an Diensteanbietern substanzielle Gespräche führen. Wir haben knapp 50 Dienste identifiziert, die unter den Anwendungsbereich des UrhDaG fallen. Davon haben ca. zwei Drittel auf unsere Kontaktaufnahme nicht reagiert, wobei es sich dabei hauptsächlich um US-amerikanische oder kanadische Unternehmen handelt. Schon allein um keine Ansprüche verjähren zu lassen, werden wir 2024 rechtliche Schritte in vielen Fällen einleiten müssen. Dies ist jedoch nichts Neues für die Bild-Kunst, die in den gesamten 1970er Jahren – also in dem Jahrzehnt nach ihrer Gründung – in vielen Prozessen ihre berechtigten Ansprüche durchsetzen musste.

Auf noch eine Besonderheit sei hier hingewiesen: US-amerikanische Unternehmen bestehen regelmäßig auf dem Abschluss von Vertraulichkeitsvereinbarungen, bevor über die Sache verhandelt wird. Diese erlauben keinerlei Berichterstattung. Aus diesem Grund können wir unsere Mitglieder und die Öffentlichkeit erst informieren, wenn Verhandlungen zum Erfolg geführt haben oder gescheitert sind.

Die erweiterte Kollektivlizenz

Außenstehende können der Einbeziehung ihrer Rechte in die Social-Media-Bildlizenz widersprechen. Tun sie das nicht, sind sie ausschüttungsberechtigt, auch wenn sie keinen Wahrnehmungsvertrag abgeschlossen haben. Deshalb muss die Bild-Kunst bei Ausschüttungen zunächst nicht unerhebliche Rückstellungen bilden, die erst mit Eintritt der Verjährung aufgelöst – sprich: ausgeschüttet – werden können. Derzeit stellt sich das Problem jedoch noch nicht, da wir noch keine Einnahmen erzielt haben.

Die Opt-Out-Datenbank für Einzelwerke

Ihren Mitgliedern – sowohl Bildurheber*innen als auch Bildagenturen – bietet die Bild-Kunst einen besonderen Service an: Sie können einzelne Bildwerke von der Social-Media-Bildlizenz ausnehmen. Dies kann zum Beispiel für eine Fotografin notwendig werden, wenn ein Kunde exklusive Nutzungsrechte für einen Auftrag verlangt. Oder ein Bildjournalist will seine Fotografien von Kriegsschauplätzen nicht im Social Web freigeben, weil sie dort in falschen Kontexten dargestellt werden.

Um diese Ausnahmen administrieren zu können, lässt die Bild-Kunst derzeit eine Opt-Out-Datenbank programmieren. Sie befindet sich zum Zeitpunkt des Erscheinens dieses Newsletters schon in der Testphase. Das Roll-out ist für Februar 2024 geplant. Die Datenbank wird es ermöglichen, dass Mitglieder ihre Bilder für einzelne Plattformen oder für einen bestimmten Zeitraum sperren lassen können – und das Bild für Bild.

Wobei „Sperrung“ nicht unbedingt heißt, dass Plattformen die Bilder der Datenbank sofort in einen Uploadfilter setzen. Denn die gesetzlichen Vorschriften des UrhDaG sehen bei Sperrverlangen ein kompliziertes Verfahren vor. Die Bild-Kunst wird trotzdem versuchen, in Verhandlungen das Ziel der Blockierung der Bilder zu erreichen.

Die Verteilung

Wo keine Einnahmen erzielt wurden, kann noch nichts verteilt werden. Trotzdem hat die Mitgliederversammlung der Bild-Kunst im Juli 2023 bereits die Verteilregeln für Bildagenturen beschlossen. Vorausgegangen war eine Beschlussfassung im Vorjahr zur Aufteilung der Gelder in eine Sparte für Bildurheber*innen und eine Sparte für Bildagenturen.

Während der Agenturtopf grundsätzlich nach dem Deutschlandumsatz der Bildagenturen verteilt wird, stellt sich eine Regelung für Bildurheber*innen schwieriger dar. Eine werkbezogene Verteilung unter Einbeziehung der Lizenznehmer, also der Plattformen, steht noch in weiter Ferne, zumal die Diensteanbieter einem Bild nicht ansehen können, ob der oder die Uploader*in hierfür die Rechte eingeräumt hat (dann bleibt es unberücksichtigt) oder nicht (dann unterfällt es der Social-Media-Bildlizenz).

Die Gremien der Bild-Kunst befassen sich derzeit mit möglichen Ansätzen der Verteilung. Wir müssen dabei den weitestmöglichen Kreis an Berechtigten erfassen, weil ja auch Außenstehende an der Verteilung partizipieren können. Steht der Ansatz, dann kommt das Finetuning. Hier ist zum Beispiel zu berücksichtigen, dass Urheber*innen, die über Agenturen vermarkten, weniger Ausschüttungen erhalten können, denn von ihrem Anteil werden die Bildagenturen bedient. Aber auch praktische Dinge sind zu bedenken: So darf eine Verteilung keine Mitwirkung vom Berechtigten verlangen, die nur mit großem technischen Sachverstand erbracht werden kann.

Das Fazit

Die Vorbereitungen sind abgeschlossen. Das Schwierigste liegt noch vor uns, nämlich die Durchsetzung des Tarifs und die Aufstellung eines Verteilungsplans für Urheber*innen. Aber die Karawane zieht weiter, unbeirrt, und sie wird ihr Ziel erreichen: die Oase der substanziellen Vergütungen.