Softwareprojekt der Bild-Kunst

Im Herbst 2019 startete die Bild-Kunst ein längeres Projekt zur Erneuerung ihrer gesamten IT-Infrastruktur. Seitdem hören Mitglieder oft, dass sich die Ausschüttungen aufgrund dieser Arbeiten verzögern. Um mehr Licht ins Dunkel zu bringen, wollen wir das Projekt im Folgenden vorstellen.

Man kann sich die Bild-Kunst als Zwiebel vorstellen, mit vielen Ringen, die sich an einen Kern anschmiegen. Im äußeren Ring ist die Bild-Kunst eine Verwertungsgesellschaft, die im Außenverhältnis auf Basis des Urheberrechtsgesetzes Vergütungen für ihre Berechtigten einnimmt. Weiter innen liegt ein Ring, in dem sich die Bild-Kunst als Verein darstellt: Hier wird vor allem die Entscheidungsfindung geregelt. Noch weiter innen folgt der Ring der Belegschaft: Hier ist die Bild-Kunst Arbeitgeber mit knapp 60 Beschäftigten. Und dann folgt der Kern, eine komplexe IT: Immense Daten zu knapp 70.000 Mitgliedern, hunderttausenden ausländischen Berechtigten, Werken und Meldungen müssen unter Beachtung der Regeln des Verteilungsplans zueinander in Beziehung gesetzt werden.

Vereinfacht kann man sagen: Die Belegschaft kümmert sich um die Datenaufnahme und Datenpflege; die IT rechnet aus, wer welche Ausschüttungen erhält. Dabei funktioniert die Arbeit an den Daten ebenfalls nur mittels komplexer Programme.

Ebenso wie ein Haus ab und zu renoviert werden muss, so muss auch eine komplexe Software in Abständen erneuert werden. Allerdings hat die bisherige Systemsoftware mit über 25 Jahren ein Alter erreicht, das eine Renovierung nicht mehr zulässt: Hier helfen nur Abriss und Neubau weiter. Deshalb wurde das Projekt „ArtUs“ ins Leben gerufen – die Systemsoftware der Bild-Kunst wird völlig neu programmiert.

Was haben wir in den drei Jahren seit Projektstart erreicht?

Bei der Bewertung des Erreichten ist zu berücksichtigen, dass kurz nach Projektstart die Pandemie einsetzte und dadurch viele Arbeiten langsamer umgesetzt werden konnten als eigentlich geplant.

Finanzbuchhaltung

Die neue Finanzbuchhaltung ist produktiv im Einsatz für die Bild-Kunst, die Stiftung Sozialwerk und die Stiftung Kulturwerk. Die Jahresabschlüsse für 2021 wurden bereits mit der neuen Software erstellt. Damit verbunden sind auch die regelmäßigen Meldungen, die an die Behörden abzugeben sind (Umsatzsteuer, Quellensteuer, elektronische Bilanz etc.). Die neue Finanzbuchhaltung ist leistungsfähiger als die alte, denn jeder und jede Berechtigte kann jetzt sowohl als Gläubiger*in als auch als Schuldner*in geführt werden.

Berechtigtenverwaltung

Unter diesem Modul ist die Verwaltung aller Mitglieder, Verlage, Bildagenturen, Verwertungsgesellschaften und Erb*innen (Berechtigte) zu verstehen, aber auch aller Nutzer*innen, die an die Bild-Kunst Vergütungen entrichten. Dabei wurden die Daten in das neue System überführt und sind für die tägliche Praxis verfügbar. Neben den reinen Stammdaten sind hier auch die übertragenen oder wahrgenommenen Rechte zu verstehen. Dabei werden alle Rechte-Rollen-Kombinationen in der rechtlich notwendigen Differenzierung verwaltet. Die Arbeit war nicht einfach, da die Daten in der alten Software nicht zusammenhängend vorlagen, sondern an vielen Orten parallel gespeichert waren.

Datenmigration und Delta-Migration

Die Datenmigration von der alten Software in das neue System ist komplex, da Informationen in aller Regel aus verschiedenen Feldinformationen zusammengesetzt werden müssen. Die Migrationslogiken sind bei den im Einsatz befindlichen Modulen nahezu fertiggestellt, ebenso bereits für die Mehrzahl der notwendigen Basisdaten (Meldungen, Buch- und Filmstamm, Ausschüttungen), die für die Umsetzung der Zweitrechte benötigt werden.

Darüber hinaus ist eine Delta-Migration umgesetzt, die dazu dient, während der Übergangszeit abgeänderte Datensätze automatisch in das neue System zu überführen.

Erstrechte

Die Bearbeitung der Erstrechte (Folgerechte, Reproduktionsrechte und individuelle Senderechte) werden seit Beginn des Jahres ausschließlich in ArtUs abgewickelt. Dabei werden alle Arbeiten im Zusammenhang mit Anfragen, Genehmigungen, Lizenzierung, Abrechnung und Zahlungs-/Mahnwesen abgebildet. Eine erste Ausschüttung ist erfolgreich durchgeführt, größere Ausschüttungen zu den Folge- und Reproduktionsrechten stehen aktuell an. Hierbei sind, ebenso wie bei der Auftragsfaktur, alle Vorgänge sofort „live“ gebucht und alle dazugehörigen Belege stehen elektronisch zur Verfügung – damit sind die Abläufe flüssiger als unter der alten Software.

Anbindung der internationalen Datenbanken

Die internationalen Datenbanken IPI (Urheber und wahrgenommene Rechte) und IDA (internationale Filmdatenbank mit Werken und Ansprüchen) sind live angebunden und können Daten in Echtzeit im- und exportieren.

Woran wird derzeit gearbeitet?

Derzeit – Stand Oktober 2022 – befassen sich die Programmierarbeiten im Schwerpunkt mit der Umsetzung des Moduls „Ausschüttungen Kollektivverteilungssparten“ im Bereich Kunst/Bild. Hierbei sind die Meldeformulare 2020 und 2021 bereits vollständig in ArtUs integriert. Ebenso sind die aktuellen Meldungen der Mitglieder zum Meldeschluss 30.06.2022 in das neue System aufgenommen worden, soweit sie bereits bearbeitet sind (Prüfung durch die Fachabteilung).

Im Wesentlichen werden derzeit die Ausschüttungslogiken Kunst/Bild technisch konzipiert und umgesetzt. Neben der Logik und den Prüfroutinen stehen auch korrelierende Programmfunktionen, hier insbesondere die „Repro-Übernahme“ und die Anbindung des Onlineportals, im Fokus. Aufwendig ist dabei, die bisherigen Arbeitsabläufe der Fachabteilung zu berücksichtigen, die überwiegend analog durchgeführt werden/wurden.

Ebenfalls in der konkreten Umsetzung befindet sich die Verwaltung der Stimmrechtsübertragungen für die Berufsgruppen- und Mitgliederversammlung. Diese Arbeiten sind wichtig, um die Abwicklung der zukünftigen Versammlungen zu unterstützen.

Was verbleibt zu tun?

Auch wenn die Stammdaten zu den Filmwerken, Ansprüchen und auch zum Senderegister bereits im Aufbau befindlich sind und auch in Teilen bereits migriert wurden, so steht die Umsetzung des Moduls „Film“ derzeit noch aus. Arbeitsabläufe und Tätigkeiten sind zwar in Bezug auf die Grundfunktionalitäten besprochen, die konkreten Umsetzungen stehen aber erst am Anfang.

Auch die Möglichkeit, Ausschüttungen anhand von eingelieferten Dateien durchführen zu können, sind derzeit erst konzipiert, aber noch nicht umgesetzt. Diese Funktionalitäten sind relevant für die Ausschüttungen, beispielsweise für die pauschalen Senderechte oder Zuschlagsverteilungen und Nachausschüttungen. Die Umsetzung dieser Funktionalitäten ist allerdings deutlich weniger komplex als die Arbeiten für den Filmbereich.

Ausblick

Die Umstellung der Systemsoftware gfu auf das neue System ArtUs kann nicht als einmaliges Projekt eingestuft werden, das nach seinem Abschluss „Ruhe an der IT-Front“ gewährleistet. Vielmehr verlangen die Anforderungen derzeitiger und künftiger Geschäftsprozesse die Entwicklung und Umsetzung einer umfassenden Digitalstrategie.

Einerseits sind die hohen Anforderungen an die Bürokratie zu nennen, mit denen Verwertungsgesellschaften zunehmend belastet werden. Höchstrichterliche Rechtsprechung und Gesetzesänderungen zwingen die Gesellschaften in einem immer kürzeren Takt, ihre Geschäftsprozesse anzupassen. Allein dieses Momentum macht ein nicht unerhebliches IT-Entwicklungsbudget notwendig.

Weiterhin muss die Bild-Kunst ihren Mitgliedern in naher Zukunft digitale Services anbieten, insbesondere ein Mitgliederportal, um Kosten zu senken (Papierversand) und für jüngere Künstler*innen attraktiv zu bleiben. Zu nennen ist hier auch eine individuelle detaillierte Abrechnung in den Sparten der Kollektivverteilung Kunst/Bild, wie wir sie bereits im Filmbereich anbieten. Auch intern wird eine Digitalisierung der Arbeitsabläufe notwendig, um ein modernes Arbeiten im Homeoffice bzw. in der Kombination Office/Homeoffice zu ermöglichen. Auch dies ist notwendig, um nach wie vor als attraktiver Arbeitgeber auf dem künftig knappen Personalmarkt zu bestehen.

Am wichtigsten erscheint die Weiterentwicklung der digitalen Kapazitäten aber, um das Kerngeschäftsmodell der kollektiven Rechteverwaltung auch in Zukunft erfolgreich anbieten zu können. Denn zunehmend wird es notwendig werden, die Ausschüttungen auf Basis von Nutzungsdaten vorzunehmen. Eine Einbindung der Kunstwerke-Datenbank AIR in die Arbeitsprozesse kann hier nur der Anfang sein. Als Beispiel mögen künftige Ausschüttungen von Erlösen aus der neuen Social-Media-Bildlizenz dienen: Sollte die Bild-Kunst hier von Plattformbetreibern Nutzungsdaten angeboten bekommen, wird sie nicht umhinkommen, diese für Verteilungszwecke zu verwenden. Im Filmbereich sei an die immer wieder geprüfte Kooperation mit dem ZDF erinnert oder an eine mögliche Unterstützung bei der Umsetzung von GVRs: Auch diese Tätigkeiten werden sich nur mit einem modernen, flexiblen und vor allem digitalen „Maschinenraum“ umsetzen lassen.

Andere Verwertungsgesellschaften haben schon früher in die Digitalisierung investiert: Bei der GEMA begann die Transformation vor ca. 20 Jahren, bei der GVL vor zehn Jahren. Auch die VG Wort erneuert ihre IT bereits seit 2014, also seit acht Jahren. Auch wenn diese Gesellschaften alle einen drei- bis zwanzigfachen Umsatz im Vergleich zur Bild-Kunst erwirtschaften, so kann dies kein Argument dafür sein, keine oder unzureichende Investitionen in IT-Ressourcen zu tätigen. Denn die Herausforderungen im Bildbereich stellen sich nicht weniger als in den anderen Werkbereichen. Man denke nur an die Verbindung zwischen Kunstwerken und der Blockchain. Außerdem ist die Bild-Kunst im Vergleich zu anderen Verwertungsgesellschaften in drei Werkbereichen und nicht nur in einem tätig.

In den letzten knapp drei Jahrzehnten wurde die IT der Bild-Kunst als statisches Produkt angesehen: Die alte Software ermöglichte es, zu sehr geringen Kosten die Grundfunktionalitäten durchzuführen. Eine Entwicklung von zusätzlichen digitalen Angeboten, wie z. B. das Meldeportal, war dabei aber entweder gar nicht oder nur auf geringem Serviceniveau möglich.

In Zukunft muss die IT als dynamischer Kernprozess der Bild-Kunst eingestuft werden, der kontinuierlich weiterentwickelt wird. Die Systemsoftware ArtUs stellt hier nur den Grundbaustein dar.