Bundesregierung und Bundestag
Wir erinnern uns: Die große Koalition hat der Urheberpolitik, vor allem der Verbesserung der Situation der Urheber/innen und ausübenden Künstler/innen in ihrem Koalitionsvertrag ungewöhnlich viel Raum gewidmet.
Nach längerer Einarbeitungszeit, bedingt durch Minister- und Staatssekretärswechsel, die Erweiterung des Justizministeriums - das jetzt auch für Verbraucherfragen zuständig ist - und schließlich einige wesentliche Wechsel in der Fachabteilung, begann die Sondierung der Umsetzungsbemühungen mit Gesprächen an runden Tischen, an die der Bundesminister Heiko Maas mit seinen Staatssekretären zahlreiche Gäste aus der Kulturszene, darunter viele Urheber, Vertreter von Verwertungsgesellschaften und Vertreter der Kulturindustrien lud. Präsentiert wurde ein Vier-Punkte-Programm, in dem es um die Umsetzung der VG- Richtlinie einschließlich der Verbesserung des Abgabesystems für das Inkasso der Vervielfältigungsvergütungen, die Stärkung des Urhebervertragrechts, die Einführung einer Bildungs- und Wissenschaftsschranke und schließlich die Einordnung weiterer urheberrechtlicher Fragen in die "Digitale Agenda" ging. Später wurde auch der Aspekt der besseren Einbeziehung der deutschen Bemühungen um die Stärkung des Urheberrechts in die Reformagenda der EU ergänzt. Eine erste Gesprächsrunde im BMJV zur Umsetzung der VG-Richtlinie fand im Dezember statt, Anhörungen der Beteiligten sollen folgen, bevor der Referentenentwurf im Juni (hoffentlich) vorgelegt wird. Die Fachpolitiker der Fraktionen haben sich inzwischen ebenfalls in zahlreichen Gesprächen mit den interessierten Kreisen eingearbeitet und drängen auf baldige Reformen.
Debatte in der Fachöffentlichkeit
Die öffentliche Debatte begann auf dem Deutschen Juristentag am 18. September 2014 mit einem Paukenschlag: Einer der vom Sachverständigen Prof. Ohly präsentierten Vorschläge, der auf die Stärkung der Nutzer im Schutzumfang des UrhG zielte, wurde vom Podiumsvertreter der Firma Google sogleich um die Einbeziehung der Interessen der Intermediäre ergänzt; also der Internetkonzerne in dieses Gesetz. Beide Vorschläge fanden jedoch keine Mehrheit bei den versammelten Fachleuten und wurden abgelehnt. Sachlicher verlief die Diskussion auf dem in kurzem Abstand folgenden Kongress der Deutschen Gesellschaft für Gewerblichen Rechtsschutz und Urheberrecht, auf dem unter anderem das mittlerweile hoch kontroverse Thema „Creative Commons Lizenzen“ thematisiert wurde. Dieses System, ursprünglich ersonnen, um die kostenlose Nutzung von Werken in bestimmten Grenzen zu ermöglichen, wird mittlerweile sogar von öffentlich-rechtlichen Sendern als Mittel zur Reduzierung der Honorare von Urhebern eingesetzt, und damit in sein Gegenteil verkehrt, ein Thema, das uns im Rahmen der Reform des Urhebervertragsrechts noch beschäftigen wird.
Urhebervertragsrecht
Das Thema Urhebervertragsrecht stand im Mittelpunkt einer Veranstaltung im November 2014, in der Prof. Peifer in Kooperation mit Praktikern seinen "Kölner Entwurf" zur Reform vorstellte. Für dieses Thema steht damit eine Vorlage zur Diskussion, an der sich zumindest diejenigen, die die Reform nicht grundsätzlich ablehnen – dies war die Minderheit der betroffenen Branchen der Kulturwirtschaft, vor allem Verleger – sich nun abarbeiten können. Eine weitere Diskussion zu diesem Thema fand auf einem Symposium des Erich-Pommer-Instituts am 1. Dezember 2014 statt. Hier stand der Filmbereich im Vordergrund, in dem in den vergangenen Jahren, nach langen Debatten und teilweise nur auf Anordnung von Gerichten Vereinbarungen und Tarifverträge geschlossen wurden, die in die richtige Richtung weisen, wenn sie auch im einzelnen diskussionsbedürftig sind. Jedenfalls wird deutlich, dass die grobe Richtung der Reform von 2002 (!) stimmt, wenn auch insbesondere bei der Durchsetzung der in Vereinbarungen festgelegten "angemessenen Vergütungen" starke Defizite bestehen. Aus diesem Grund fordert die Initiative Urheberrecht gemeinsam mit vielen Verbänden und Gewerkschaften die Einführung des Verbandsklagerechts, um einzelnen Urhebern Individualklagen um die Durchsetzung ihrer Vergütungsansprüche zu ersparen. Ein weiteres Petitum zur Verbesserung des Urhebervertragsrechts ist die Einführung eines Rechtsweges, um die Verbindlichkeit von Verhandlungsergebnissen über Vergütungen zu erstreiten.
Vergütungsansprüche
Die Verbesserung der Verfahren zur Verhandlung von Vergütungen für die
private Vervielfältigung stand im Mittelpunkt einer Diskussionsveranstaltung, die die Initiative Urheberrecht gemeinsam mit dem Josef Kohler-Institut der Humboldt-Universität zu Berlin und Frau Prof. Obergfell im Dezember veranstaltete. Eröffnet wurde die Veranstaltung von der Staatssekretärin im BMJV, Frau Dr. Hubig, die sich für eine Stärkung des Schutzes der Urheber als Ziel des Reformprozesses aussprach. Von Seiten der Verwertungsgesellschaften machte Dr. Pappi, VG Bild-Kunst, deutlich, zu welchen Verzögerungen es bisher im Verhandlungsverlauf durch Ausweichmanöver der Vergütungspflichtigen gekommen ist. Die Folge: Millionenverluste für Urheber und Rechtsinhaber. Die Regierung, so scheint es, hat den Reformbedarf nach vierjähriger Untätigkeit der Vorgängerkoalition erkannt.
EU
Der neue Kommissionspräsident Juncker hat eine "Digitale Agenda" – ebenso wie einige Ministerien der Bundesregierung – in den Mittelpunkt seines Programms für die nächsten fünf Jahre gestellt. Wie bekannt, wurde der deutsche Kommissar Günter Oettinger Verantwortlicher für dieses Projekt. Um diese Agenda durchzusetzen, wurde die bisherige Urheberrechtsdirektion aufgeteilt. Die für die Urheberrechtsreform zuständigen Mitarbeiter/innen werden nun Oettinger zugeordnet. Dieser hat nach anfänglichen und mehr spontanen als gut begründeten Vorschlägen nun den Dialog mit Fachleuten innerhalb und außerhalb der Kommission begonnen und sich Anfang Dezember mit einer hochrangigen Delegationen von Urheber/innen (aus den Bereichen Film/TV, Musik und Bildende Kunst) getroffen, um seine Agenda zu verfeinern. Es ist zu hoffen, dass er sich schnell einarbeitet und erkennt, dass die Kommission nicht nur Lippenbekenntnisse zu Gunsten der Produzenten des „Contents“ der Informationsgesellschaft abgeben darf, sondern sich konkret um die Verbesserung ihrer Lebensverhältnisse kümmern muss. Immerhin hat die Kommission am 16.Dezember ein Arbeitsprogramm vorgelegt, das folgende Schwerpunkte hat:
Den Verbrauchern soll grenzüberschreitender Zugang zu digitalen Dienstleistungen eröffnet werden. Ein kommissionsweites, grenzüberschreitendes Wirtschaftsgebiet soll für Unternehmen geschaffen (und damit territorial begrenzte Lizenzierung beendet) und im übrigen die Bedingungen für eine lebendige digitale Wirtschaft hergestellt werden. Wolkiger geht es nicht.
Das Parlament hat die wesentlichen Fragen früher identifiziert. In einer mehrtägigen Veranstaltung Anfang November mit Organisationen der Urheber und ausübenden Künstler wurde dies deutlich. Mehrere Studien zur Erforschung der Honorarsituation wurden in Auftrag gegeben, konkrete Schritte zur Verbesserung der Vertragssituation, darunter die Erarbeitung eines europäischen Urhebervertragsrechts nach deutschem und holländischem Muster wurden vom Vorsitzenden des Rechtsausschusses, Svoboda, in Aussicht gestellt. Das Parlament hat Arbeitsgruppen zu den entsprechenden Themen begründet, die ihre Vorsitzenden und Berichterstatter gewählt und die Arbeit aufgenommen haben; wobei manche Personalentscheidungen überrascht haben. Aber auch hier gilt: Viele neue Köche rühren im Brei, und über den Geschmack des fertigen Produkts kann man gegenwärtig nicht viel sagen.
TTIP
Im Focus aller, die sich mit Kreativität, Urheberrecht und der Entwicklung der Informationsgesellschaft auf Basis der demokratischen Grundordnung beschäftigen, muss schließlich die intensive Beschäftigung mit den Verhandlungen der EU mit den USA über ein Freihandelsabkommen stehen, das gravierende Auswirkungen insbesondere auf die zukünftige Medienordnung und damit auch auf die Kreativen haben wird, mit unmittelbarem Bezug zum Urheberrecht.
Die Zukunft des Urheberrechts
Wie dargestellt, stehen derzeit vor allem Reparatur – und Aufholarbeiten im Fokus der Gestalter in Deutschland und Europa. Die Beschäftigung damit darf uns aber nicht den Blick auf die Zukunft und die Herausforderungen der nächsten Jahre verstellen.
Folgende Schwerpunkte werden voraussichtlich im Mittelpunkt der Diskussion über die Zukunft des Urheberrechts stehen; wobei folgende Aufstellung nicht als abschließend zu betrachten ist:
- Die Verstärkung der zentralisierten oder kollektiven Rechtswahrnehmung in Bereichen, in denen bisher individuell lizenziert – oder wegen der Schwierigkeiten, die Berechtigten zu ermitteln, gar nicht lizenziert wird: z.B. bei der online-Erschließung der TV-Archive. Hierzu ist die Stärkung der Verwertungsgesellschaften im Rahmen der Reform des Wahrnehmungsrechts und die bessere Zusammenarbeit der Urheber/innen verschiedener Bereiche erforderlich. Daneben muss verstärkt darüber nachgedacht werden, wie die Beziehungen zwischen Urhebern, Künstlern einerseits und Nutzern andererseits verbessert werden können, damit möglichst viel Werke wahrgenommen und verwertet werden; denn daran liegt allen. Deshalb stand dieses Thema auch im Mittelpunkt der Veranstaltung der Initiative Urheberrecht am 12. Dezember 2014. Die Prüfung der Frage, wie Intermediäre, die auf ihren Plattformen die Nutzung nicht lizenzierter Werke durch die Kunden ermöglichen – (Einstellung von Hintergrundmusik zu selbst produzierten Werken auf YouTube z.B.) zur Kasse gebeten werden können. Durch ein Vergütungssystem ähnlich der Leermedienabgabe, die als Kompensation für die zulässige private Vervielfältigung eingeführt wurde, könnten solche Nutzungen, die nicht in Persönlichkeitsrechte eingreifen, legalisiert werden, wenn die Urheber und Rechteinhaber dem zustimmen.
- Weiterhin ist zu prüfen, wie die von Prof. Spindler – in einer Anhörung des Bundestagsausschusses "Digitale Agenda" am 3. Dezember – vorgestellte Abgabe auf "Content", der durch Datennetze geleitet wird, die angemessene Vergütung für neue Nutzungsformen sicherstellen könnte, die nicht an Geräte oder Aufzeichnungen gebunden ist, z.B. durch Streaming. Hier treffen Themen der Medienpolitik und der Urheberpolitik aufeinander.
- Die Debatte um die Nutzungen von Werken für Zwecke der Bildung und Wissenschaft nicht auf die von der Bundesregierung thematisierte Bildungs- und Wissenschaftsschranke beschränken. In diesem Zusammenhang stellen sich weitergehende Fragen um das Zusammenwirken von Bildungs- Informations- und Urheberrechtspolitik, die im gesamtgesellschaftlichen Diskurs erörtert werden müssen.
Die Initiative Urheberrecht wird im Laufe des kommenden Jahres diese Fragen bündeln und auf einem Kongress im November 2015 zur Debatte stellen. Dieses Datum markiert das fünfzigjährige Bestehen des modernen deutschen Urheberrechts und sollte Anlass sein, in die Zukunft zu schauen.
Prof. Dr. Gerhard Pfennig
Sprecher der Initiative Urheberecht
www.urheber.info