Die derzeitige Rechtslage im September 2016

Über die Nutzung eines urheberrechtlich geschützten Werks kann grundsätzlich nur der Urheber verfügen. Zu diesem Zweck kann er anderen einfache oder ausschließliche Nutzungsrechte einräumen. Die Handelbarkeit dieser Nutzungsrechte bestimmt sich nach allgemeinem Zivilrecht. Insbesondere kann ein Urheber ausschließliche Nutzungsrechte nur einer Person einräumen. Eine zweite Rechteübertragung geht dann aufgrund des Prioritätsprinzips ins Leere.

Gesetzliche Vergütungsansprüche stellen für den Urheber eine Kompensation für das Vorhandensein urheberrechtlicher Schranken dar. Schranken erlauben die Nutzung eines Werkes ohne Lizenz. Sie müssen im Gesetz festgelegt sein. Die Vergütungen werden von Verwertungsgesellschaften eingenommen und verteilt.

In den Bereichen Musik, Text und Bild verfügen nur die Urheber über originäre Urheberrechte, nicht dagegen Verlage und Bildagenturen. Die Verwerter lassen sich aber regelmäßig Rechte von den Urhebern abtreten. Dann sind sie die Berechtigten, nicht mehr die Urheber.

Bislang sahen die Verteilungspläne von GEMA, VG Wort, VG Bild-Kunst und VG Musikedition alle in unterschiedlicher Ausprägung eine pauschale Beteiligung von Verlegern an den Erträgen aus gesetzlichen Vergütungsansprüchen der Urheber vor. Dieser jahrzehntelangen Praxis lagen zwei Prämissen zugrunde:

  • Man ging davon aus, dass Urheber in der Praxis regelmäßig gesetzliche Vergütungsansprüche an Verlage und Bildagenturen abtreten, da die Konditionen der Zusammenarbeit nur in wenigen Fällen frei verhandelbar sind. Ohne Schutzmaßnahmen wäre der Löwenanteil der Vergütung dann nicht mehr an die Urheber ausbezahlt worden (so wie in Frankreich, wo die Verlage über 90% der Vergütungen aus der Privatkopie erhalten).
  • Weiterhin ging man davon aus, dass Verwertungsgesellschaften in ihren Verteilungsplänen eine Verteilung abweichend von dem tatsächlichen Rechtefluss regeln können. Beispiel: Wenn 90% der gesetzlichen Vergütungsansprüche von Urhebern an Verlage abgetreten werden, sollte es trotzdem möglich sein, den Verlagen nur 30% des Geldes auszubezahlen und nicht 90%.

Die pauschale Beteiligung von Verlagen und Bildagenturen diente also primär dem Schutz der Urheber.

Auf der anderen Seite bestand auch Konsens darüber, dass die urheberrechtlich geschützten Werke ohne die Leistung von Verlagen und Bildagenturen nicht vertrieben werden konnten. Man sah deshalb auch einen inhaltlichen Rechtfertigungsgrund für deren pauschale Beteiligung

Entscheidung des Bundesgerichtshofs

Mit der Entscheidung des Bundesgerichtshofs vom 21. April 2016 wurde das Verfahren Vogel ./. VG Wort, das im Dezember 2011 eingeleitet worden war, rechtskräftig zu Gunsten des Klägers entschieden.

Der BGH erklärt die pauschale Beteiligung von Verlegern an den Ausschüttungen der VG Wort für rechtswidrig, soweit gesetzliche Vergütungsansprüche betroffen sind. Eine individuelle Beteiligung ist weiterhin möglich, soweit sich Verlage im Nachhinein Vergütungsansprüche von Urhebern abtreten lassen und dann in die Verwertungsgesellschaft einbringen. Möglich ist auch, dass sich Verlage im Nachhinein die Auszahlungsansprüche der Urheber gegen die Verwertungsgesellschaft abtreten lassen.

Die Entscheidung ist wegen des im Wesentlichen gleichen Sachverhalts auf die Bild-Kunst übertragbar. Bei der Bild-Kunst sind nicht nur die Verlage, sondern auch die Bildagenturen und die Verlegerverbände BDZV und VDZ betroffen.

Der BGH entschied im Einzelnen:

  • Die EU-Richtlinie zum Urheberrecht in der Informationsgesellschaft ist so auszulegen, dass Urheber über ihre gesetzlichen Vergütungsansprüche im Voraus nicht frei verfügen können. Sie können diese Ansprüche insbesondere nicht – wie in § 63a UrhG vorgesehen – im Voraus an einen Verlag abtreten. Dieses Vorausabtretungsverbot soll die Urheber schützen. Vorausabtretungen sind nur an Verwertungsgesellschaften möglich.
  • Verwertungsgesellschaften müssen ihre Einnahmen leistungsgerecht an ihre Berechtigten ausschütten. Dabei kommt es durchaus auf den Rechtefluss an. Wer ein Recht in die Gesellschaft einbringt, muss hierfür die Vergütung erhalten. Pauschale Quotierungen unabhängig vom Rechtefluss sind unwirksam.

Man kann das Urteil wie folgt interpretieren:

Urheber benötigen seit Inkrafttreten der EU-Richtlinie zum Urheberrecht in der Informationsgesellschaft keinen Schutz mehr durch Verteilungspläne der Verwertungsgesellschaften im Hinblick auf die Ausschüttung von gesetzlichen Vergütungsansprüche. Dieser Schutz erfolgt schon auf gesetzlicher Ebene durch das umfängliche Vorausabtretungsverbot.
Weiterhin steht es Verwertungsgesellschaften nicht zu, die Leistungen von Verlegern und Bildagenturen anzuerkennen. Dies sei alleine Sache des Gesetzgebers.

Konsequenzen aus dem Urteil

Alle Regelungen in den Verteilungsplänen der Bild-Kunst, die eine pauschale Beteiligung von Verlagen und Bildagenturen an den gesetzlichen Vergütungsansprüchen der Urheber vorsehen, sind rechtswidrig. Rechtswidrige Bestandteile des Verteilungsplans müssen nach Ziffer 7 der Allgemeinen Bestimmungen des Verteilungsplans korrigiert werden.
Die außerordentliche Versammlung der Mitglieder am 17. September 2016 in Bonn hat diese Korrektur vorgenommen:
Die Verteilungspläne wurden für die Vergangenheit bis einschließlich 2016 so geändert, dass Verlage und Bildagenturen nur dann an den Ausschüttungen zu beteiligen sind, wenn sie nachweisen, dass sie sich nachträglich Vergütungsansprüche von Urhebern haben abtreten lassen.

Aufgrund des Prioritätsprinzips ist eine solche nachträgliche Abtretung von Vergütungsansprüchen von Urhebern an Verlage oder Bildagenturen nur dann möglich, wenn die Urheber keinen Wahrnehmungsvertrag mit der Bild-Kunst oder einer ausländischen Schwestergesellschaft abgeschlossen haben. Denn in diesem Fall wurden alle Ansprüche, auch alle künftigen Ansprüche, bereits wirksam an die betreffende Verwertungsgesellschaft abgetreten.

Neben der Korrektur der Verteilungspläne ist auch eine Korrektur der Ausschüttungen erforderlich, die auf der Grundlage der rechtswidrigen Regelungen des bisherigen Verteilungsplans getätigt worden waren, in diesem Fall also die pauschale Beteiligung von Verlagen und Bildagenturen. In einem ersten Schritt werden die entsprechenden Beträge zurückgefordert, die seit Beginn des Jahres 2012 ausgeschüttet worden waren. Seit dieser Zeit waren Ausschüttungen an Verlage und Bildagenturen nur noch unter Vorbehalt geleistet worden.

Die korrigierten Verteilungspläne wirken sich auch auf frühere Jahre aus, nämlich dann, wenn es zu einer Nachausschüttung für diese Zeit kommt. Hier geht es beispielsweise um die Nachzahlung der Geräteindustrie für die Privatkopieabgabe auf Drucker für die Jahre 2001 bis 2007, die aufgrund langjähriger Gerichtsprozesse erst Ende 2015 an die Bild-Kunst geleistet wurde. Die Auszahlung dieser Gelder erfolgt jetzt auf Grundlage der korrigierten Verteilungspläne, auch wenn ein Zeitraum vor 2012 betroffen ist.

Nach dem Urteil des Bundesgerichtshofs sind Verlage und Bildagenturen nicht vollständig von einer Beteiligung an den Ausschüttungen für Vergütungsansprüche der Urheber ausgeschlossen. Sie können allerdings nur dann einen Anteil beanspruchen, wenn sie nachweisen, dass sie sich Vergütungsansprüche nach deren Entstehen wirksam von Urhebern haben abtreten lassen.

Die Bild-Kunst wird deshalb Verlagen und Bildagenturen die Möglichkeit einräumen, diese Informationen bis zum 28. Februar 2017 nachzureichen. Auf der Grundlage dieser Meldungen kann dann die Bild-Kunst berechnen, welche Anteile an den Ausschüttungen den Verlagen und Bildagenturen rechtmäßig zustehen.

Diese rechtmäßigen Gutschriften werden in einem zweiten Schritt von den erstatteten Beträgen abgezogen. Die verbleibende Differenz wird in einem dritten Schritt zusammen mit den Sicherheitsrückstellungen an die Berechtigten ausgeschüttet. Dies wird voraussichtlich im zweiten Quartal 2017 möglich sein.